950 Jahre Hadern

Kleine Geschichte Haderns

Es waren wohl Bauern aus Gräfelfing, die im 8./9. Jahrhundert hier in der Gegend des heutigen Münchner Stadtbezirks Hadern Wald für Weidegründe rodeten, sich niederließen und zwei kleine Ansiedlungen mit vielleicht ein paar Dutzend Seelen gründeten.
Erstmals urkundlich erwähnt wird die Ortschaft im 11. Jahrhundert in einer Schenkungsurkunde aus dem Kloster Ebersberg:
Dort ist niedergeschrieben, dass eine edle Frau namens Imia dem Hl. Sebastian ein Gut schenkte, das sie im Dorf namens Harderun besaß. Im lateinischen Originaltext lautet die entscheidende Stelle: „… in vico nomine ad harderun …“.
Die Bezeichnung “ad harderun” bedeutet soviel wie “bei den Leuten am Wald”. Diese älteste Schreibweise hat sich im Lauf der Jahrhunderte zum heutigen Ortsnamen gewandelt. 

Die Zahl der Einwohner wuchs lange Zeit nur langsam. Noch Ende des 19. Jahrhunderts lebten in Groß- und Kleinhadern in den rund zwei Dutzend Bauernhöfen entlang der Dorfstraße kaum mehr als 300 Leute.

Gravierende Veränderungen erlebten die Dorfbewohner erst um die Jahrhundertwende 1900. Auslöser war die Expansion der Residenzstadt München, deren Einwohnerzahl durch Zuzug und Eingemeindungen unaufhörlich stieg und 1901 die 500er-Marke überschritt. Die Kehrseite des schnellen Wachstums war eine enorme Wohnungsnot! Dadurch rückte zunehmend das Umland in den Fokus von Bodenspekulanten. So genannte Terrain-Gesellschaften begannen ab etwa 1890, riesige Areale rund um den Burgfrieden aufzukaufen, auch in der damals noch selbständigen Gemeinde Großhadern.

Sogar ein ganzer Bauernhof wechselte den Besitzer: Perlbauer Simon Priller verkaufte Haus und Grund 1898 an die “Westend-Immobilien-Gesellschaft“ und baute sich am Südende Großhaderns eine vornehme Villa im “Schweizer Stil“, in der er dann als Privatier seinen Lebensabend verbrachte. 
Andere Haderner Bauern investierten ihre Gewinne aus Grundverkäufen in Zukunftsprojekte. Jakob Thalmair vom Schmiedhof errichtete 1900 mitten im Dorf einen stattlichen Bau mit einem Restaurant im Erdgeschoss (heute „Trattoria Quattro Mori“) und drei Obergeschossen mit Wohnungen. 
Ein paar Meter weiter nördlich erbaute Peter Widmann in den Jahren 1903 bis 1907 seinen “Weißbräu“ (seit 2013 der “Haderner Augustiner“ an der Ecke Heiglhof-/ Würmtalstraße).
Innerhalb weniger Jahre veränderte sich das Ortsbild Großhaderns allein durch diese drei Bauwerke deutlich. Dennoch waren sie nur Vorboten eines bevorstehenden noch größeren Wandels.

Grund dafür waren vor allem die Pläne des Münchner Bauunternehmers Jakob Heilmann, der rund um München neue Wohnviertel im Stil großzügiger Gartenstädte plante und dafür auch auf Haderner Flur große Flächen erwarb. Einen Teil verkaufte er an die Stadt München weiter, die dort nach den Plänen von Stadtbaurat Hans Grässel einen “Waldfriedhof “ anlegte. Die Straßenbahn, die davor noch am Harras geendet hatte, wurde bis dorthinaus verlängert. Als 1904 die “Elektrische“ hier ihren Betrieb aufnahm, war der “Fortschritt“ an der Grenze zur Gemeinde Großhadern angelangt. 
Heilmanns Projekt einer “Gartenstadt München Süd-West” zwischen Waldfriedhof und dem Dorf hatte damit Anschluss an die Stadt. Hübsche Landhäuser sollten dort entstehen, „… von Licht und Sonne durchflutet …“. 1905 begann die Bautätigkeit in einem relativ kleinen “Tortenstück” des Heilmann’schen Areals.
Diese erste reine Wohnsiedlung auf Haderner Flur umfasste rund 65 Grundstücke und wurde wegen der schönen Anwesen bald “Villenkolonie“ genannt. Die Lage nahe der Straßenbahn-Endhaltestelle am Waldfriedhof zog vor allem betuchte Münchner Bürger an, die der stickigen Stadtluft entfliehen wollten ohne auf die Vorzüge der Großstadt verzichten zu müssen. Nur wenige der Häuser sind noch im Originalzustand erhalten, vier davon stehen unter Denkmalschutz.
Der Erste Weltkrieg machte Heilmanns weitergehende Pläne zunichte. Stattdessen wurden ab 1919 erste Siedlervereinigungen gegründet: Zusammenschlüsse von Bauwilligen, die nach und nach die Grundstücke erwarben, um in meist mühevoller Eigenleistung ihre Häuschen darauf zu errichten. 
Auf allen noch unbebauten Flächen wuchsen ab den 1920er Jahren langsam aber stetig neue Siedlungen heran: Die “alte“ Blumenau rund um die heutige Eisenhutstraße, die so genannte Germanen-Siedlung westlich von Kleinhadern und die Kurparksiedlung an der Fürstenrieder Straße, wo Anfang der 1930er Jahre Dr. Rehm, Direktor der “Nervenheilanstalt“ Neufriedenheim, rund 120 Baugrundstücke aus einem Teil seines Parkgeländes verkaufte.

1933 übernahmen auch hier die Nationalsozialisten die Macht. Alles hatte sich nun der nationalsozialistischen Doktrin und dem “Führerwillen” unterzuordnen. Dies zeigte sich besonders deutlich, als 1938 (nicht zu jedermanns Freude) Großhadern nach München (zwangs-)eingemeindet wurde. 

Der Zweite Weltkrieg verschonte auch Hadern nicht. Die Gebäudeschäden waren dabei noch am ehesten zu verkraften und relativ schnell beseitigt, anders als in manchen Vierteln Münchens, die gänzlich in Schutt und Asche lagen. Die Wohnungsnot erreichte gigantische Ausmaße, auch durch den Zustrom tausender Ausgebombter und Vertriebener. Die Schaffung neuen Wohnraums wurde zur dringlichsten und gewaltigsten Aufgabe der Nachkriegsjahre.
Ein im Hinblick darauf recht bescheidenes Beispiel ist die kleine Siedlung an der Immastraße, dem ersten nennenswerten Bauvorhaben in Hadern nach dem verheerenden Krieg. Eine Gruppe tatkräftiger Männer, die sich vom Sport beim TSV Großhadern oder als Arbeitskollegen bei der Firma Hunger kannten, nahmen die Schaufel buchstäblich selbst in die Hand und bauten 1951/52 auf einem vom Bauern Filser gekauften Feld 23 Eigenheime in Eigenleistung für sich und ihre Familien. 

Auch die Stadt ergriff die Initiative und errichtete von 1952 bis 1958 die ersten 1.500 Wohneinheiten zwischen Senftenauer-, Alpenveilchen- und Ludlstraße in Kleinhadern.

In den 1960er Jahren folgte in mehreren Bauabschnitten ein weiteres Großprojekt, die Blumenau, auch “neue” Blumenau genannt, weil es ja schon um 1930 (wie weiter oben bereits erwähnt) östlich davon die kleine “alte” Blumenau gab.
Im folgenden Jahrzehnt wuchs ein kompletter neuer Stadtteil aus dem Boden: Neuhadern. Die Einwohnerzahl stieg damit ein weiteres Mal sprunghaft an. Heute leben im Münchner Stadtbezirk Hadern über 50.000 Menschen.

Alfons Kunz
Geschichtsverein Hadern

Hinweis:
Ausführlicher dargestellt ist Haderns Geschichte in der Festschrift „950 Jahre Hadern“, die 2016 beim Geschichtsverein Hadern e.V. erschienen und noch erhältlich ist.